«Unsere Lernenden besuchen den regulären Berufsfachschul-Unterricht»

Interview mit Lorenz Schuler, Leiter Berufsbildung

Die Stiftung Rossfeld positioniert sich in der Berufsbildung neu. Neu besuchen die Lernenden den regulären Berufsfachschul-Unterricht an der WKS KV Bildung in Bern. Ein Modell, das neue Perspektiven eröffnet. Lorenz Schuler, Leiter Berufsbildung, erläutert die Hintergründe.

 

 

Die Stiftung Rossfeld schloss diesen Sommer ihre interne Berufsfachschule. Weshalb?

Lorenz Schuler: Früher hatten wir pro Jahr acht bis zwölf Lernende. In den letzten Jahren waren es noch drei bis fünf. Mit diesem Mengengerüst rechnete sich eine eigene Berufsfachschule nicht mehr.

Wie erklärt sich dieser Rückgang?

Das Berufsbildungsgesetz verlangt von allen Berufsfachschulen, dass sie ihren Unterricht behindertengerecht gestalten. In den letzten Jahren hat sich diesbezüglich viel getan. Heute können mehr Jugendliche mit Behinderung den Unterricht in einer externen Berufsfachschule absolvieren. Kurz: Die Inklusion macht Fortschritte. Das ist erfreulich.

Gibt es weitere Gründe?

Ja, die Invalidenversicherung. Sie finanziert eine Ausbildung nur noch, wenn die Absolventen nach der Ausbildung einen Teil des Lebensunterhalts selber bestreiten können – also im ersten Arbeitsmarkt Fuss fassen.

Auch ohne interne Berufsfachschule: Die Stiftung Rossfeld will sich weiter in der Berufsbildung engagieren. Wie?

Wir erweitern die Partnerschaft mit der WKS Bern – der Schule für die kaufmännische Bildung –, mit der wir bisher schon die Qualifikationsverfahren durchgeführt haben. Künftig werden unsere Lernenden weitgehend den Berufsfachschulunterricht an der WKS Bern besuchen. Wir sorgen für die Betreuung und die Pflege vor Ort.

Wie geht das konkret?

Es beginnt damit, dass wir die Lernenden zur Schule begleiten – mit dem öffentlichen Verkehr oder mit dem Taxi. An der WKS Bern wird immer mindestens ein Teammitglied vor Ort sein, das sich um sie kümmert. Es richtet die Arbeitsplätze ein, hilft beim Mittagessen oder beim Toilettengang, erbringt pflegerische Leistungen, begleitet eine mögliche Auszeit usw. Die WKS Bern wird in diesen Bereichen vollständig entlastet.

Braucht es an der WKS Bern organisatorische oder gar bauliche Vorkehrungen?

Wir klären für jede Lernende bzw. jeden Lernenden ab, welche Einrichtungen benötigt werden und stellen diese zur Verfügung – beispielsweise höhenverstellbare Pulte, spezielle Hardwarekomponenten usw. Organisatorisch sorgt die WKS Bern dafür, dass möglichst immer im selben Raum unterrichtet wird, sodass wenige oder keine Zimmerwechsel nötig sind. Bauseitig muss eine automatische Toilettentüre eingebaut werden, mehr nicht.

Was bedeutet Inklusion für den Unterricht der WKS-Lehrpersonen? Müssen sie ihr didaktisches Konzept ändern?

Wichtig ist, dass sie versuchen, auf die individuellen Schwierigkeiten unserer Lernenden einzugehen. Das kann bedeuten, dass sie das Unterrichtstempo anpassen, ihnen mehr Zeit für das Lösen von Aufgaben geben oder die Unterlagen anders aufbereiten – beispielsweise audiovisuell statt auf Papier. Wir werden auch diesbezüglich Support leisten. Was die Lernenden nicht im ordentlichen Unterricht erarbeiten können, erarbeiten wir mit ihnen durch individuelles Coaching im Rossfeld.

Und was bedeutet Inklusion für die anderen Schülerinnen und Schüler? Werden sie speziell vorbereitet?

Da sind wir noch unschlüssig. Vielleicht bedeutet Inklusion gerade, dass man Menschen mit und ohne Einschränkung ohne übertriebene Vorbereitung zusammenarbeiten lässt. Völliges Neuland betreten wir damit nicht: Unsere Lernenden haben bereits bisher die überbetrieblichen Kurse mit nicht Behinderten absolviert. Das funktioniert bestens.

Die Lernenden werden einen Lehrvertrag mit der Stiftung Rossfeld haben. Wo werden sie die praktische Ausbildung absolvieren?

Zu Beginn werden wir sie intern einsetzen – im Marketing, im Personalwesen, in der Finanzabteilung, in den Sekretariaten. Sobald möglich sollen sie Praktika in externen Unternehmen machen. Das ist im Hinblick auf den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt enorm wichtig.

Die Zusammenarbeit mit der WKS Bern ist ein erster Schritt in eine neue Ära. Welche Perspektiven eröffnen sich damit?

Wir haben bisher ausschliesslich im kaufmännischen Bereich ausgebildet, weil eine eigene Berufsfachschule eben ein minimales Mengengerüst braucht. Wenn wir das Modell WKS auf andere Berufsfachschulen übertragen, ist die Tür offen für andere Berufe, die Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung gut ausüben können. Beispielsweise Informatikerin oder Mediamatiker.

Ist das realistisch?

Ich denke schon. Alle Berufsfachschulen haben – wie erwähnt – den Auftrag zur Inklusion. Aber den meisten fehlt das spezifische Know-how dazu. Die Stiftung Rossfeld kann dieses einbringen. Wir haben also eine Win-win-Situation.

Freie Ausbildungsplätze

Wir bilden Jugendliche und Erwachsene mit einer körperlichen Behinderung zu kaufmännischen Fachkräften aus. Die Ausbildungen als Büroassistentin/Büroassistent EBA und Kauffrau/Kaufmann EFZ sind modular aufgebaut. Profitieren Sie von Ergänzungsunterricht und Lerncoachings mit individueller Förderung.

Sind Sie interessiert?

Vereinbaren Sie ein unverbindliches Beratungsgespräch mit Lorenz Schuler, Leiter Abteilung Berufsbildung. Telefon 031 300 02 33 oder lorenz.schuler(at)rossfeld.ch.

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